Von Larissa Rausch
Die Teuerung führt zu immer stärkeren finanziellen Problemen. Für einkommensschwächere gibt es eine Institution, die in diesen Zeiten besonders unterstützen soll. „Verein Start up“, hat Sozialmärkte namens „Foodpoint“ eröffnet, in denen Betroffene zu stark reduzierten Preisen Lebensmittel einkaufen können.
Der Wettkampf um die frische Ware
„Wenn die frische Ware kommt, dann stürzen sich die Leute darauf. Sie müssen verständlicherweise schauen, dass sie das Beste rausholen und wirklich jeden Cent gut investieren. Da kann es schon auch emotional werden“. Lisa ist Studentin, vor einem Jahr hat sie ehrenamtlich im Foodpoint im 17. Bezirk gearbeitet und dabei auch so einiges erlebt.
Im Foodpoint geht es um mehr als Lebensmittel
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Foodpoint sind mehr als Verkäuferinnen und Verkäufer. Wenn man das Geschäft betritt, spürt man sofort den Zusammenhalt im Team. Es wird gelacht und gescherzt. Nicht nur im Kollegium scheint man sich zu kennen, auch einige der Konsumierenden werden beim Betreten des Ladens mit Namen begrüßt. In den ersten Minuten im Geschäft klingelt bereits das Telefon. Ein Herr, der seit Jahren Stammkunde ist, kann seit einer Operation nicht mehr einkaufen kommen. Jasmin, die Chefin erzählt, dass sie in diesem Fall also eine Ausnahme machen und ihm den Einkauf nach Ladenschluss vorbeibringen. „Wir sind die Therapeutinnen und Therapeuten der meisten. Unsere Stammkundinnen und Kunden kaufen nicht nur bei uns ein. Sie erzählen uns von ihren Sorgen, Problemen, Schicksalen, Arztterminen. Wir versuchen sie im Alltag zu unterstützen.“ Man würde viele Schicksale sehen, das bestätigt auch Lisa.
Kritik am „Sozialstaat“
Um im „Foodpoint“ einkaufen zu dürfen, muss man in einer Notsituation sein oder ein geringes Einkommen haben. Auf der Website des Sozialmarktes steht „wir haben keine feste Einkommensgrenze, sondern gehen individuell auf die persönliche Geschichte ein“.
Für Martin Schenk von der Diakonie ein zweischneidiges Schwert. Selbstverständlich helfen Sozialmärkte dabei, die Haushaltskasse zu entlasten. Andererseits sieht er es als Dilemma, dass in einem „Sozialstaat“ die Menschen nicht zumindest so viel Haushaltskasse haben, dass sie wenigstens beim Diskonter einkaufen können. Schenk berichtet von einer Frau, die vor dem ersten Betreten eines Sozialmarktes eine Stunde um den Block lief, weil sie sich so genierte, hineinzugehen und es vor den Kindern verschwieg. Der Sinn der Sozialhilfe wäre seiner Meinung nach die „Basic Needs“ zu stillen, aber das tut sie nicht mehr, weil Wohnen so teuer geworden ist. „Hungern für die Miete“, wie es eine andere Frau nannte.
Studierende im Foodpoint
Doch der Foodpoint verkörpert mehr als Schicksal und Armut. Immer mehr Studierende, welche durch ihr geringes Einkommen ebenso zum Einkauf berechtigt sind, kaufen nun auch im Sozialmarkt ein und mischen den Laden auf. Vegane Produkte, gesellschaftliches Umdenken und der Kampf gegen die Lebensmittelverschwendung sind Gründe, warum nun auch die Anfang- bis Mitte Zwanziger in den Gängen zu finden seien. Eine von ihnen ist Kerstin, die durch eine deutsche Freundin, der das BAFÖG (=das ist eine deutsche Sozialleistung, die es allen ermöglichen soll, eine Ausbildung oder ein Studium zu absolvieren) gestrichen wurde, darauf aufmerksam gemacht wurde. Gleich beim ersten gemeinsamen Besuch freute sie sich über die positive Atmosphäre und das nette Verkaufspersonal war mit ein Grund wiederzukommen. Die Produkte ihrer Wahl? Als Veganerin begann sie 2018 mit Toast, Gemüse und Obst, damals war die vegane Auswahl in dem Ausmaß noch nicht vorhanden. Über das heute umfangreiche Alternativangebot freut sich auch Sandra. Sie bevorzugt den Foodpoint ebenso wie Kerstin und ihre Freundin aus finanziellen Gründen. „In den letzten Monaten bevor ich den Foodpoint entdeckt habe, habe ich mich fast ausschließlich von Tiefkühlgemüse ernährt, eine frische Paprika war einfach nicht im Studentenbudget“. So kauft sie nun Obst, Gemüse, Fleischersatzprodukte ein – allein oder mit ihrem Freund gemeinsam. Dessen Wohngemeinschaft ist auch treue Kundschaft des Foodpoints. Im Fall der Männer-WG ist das Sparen ein positiver Nebeneffekt, sie möchten hauptsächlich der Lebensmittelverschwendung vorbeugen.
„Immer wieder sieht man Personen aus Wohngemeinschaften, die zusammen zum Einkaufen kommen. Besonders nach Corona und der ersten und zweiten Inflation sieht man wirklich viele junge Leute bei uns“, so Chefin Jasmin. „Unser Supermarkt spricht meistens die Studierenden aus dem ersten und neunten Bezirk an, aber manchmal kommen sie auch untertags vom alten AKH, von der BOKU,…“.
Ressourcenschonender Umgang
Dass bei der Jugend ein Umdenken hinsichtlich Lebensmittelverschwendung existiert, zeigen nicht nur Beispiele wie Sandras Freund, und zahlreiche parteipolitische und gesellschaftspolitische Initiativen. 2019 hat die Forsa- Studie veröffentlicht, dass sich 94% der 14–19-Jährigen in Deutschland ein Schulfach zum ressourcenschonenden Umgang mit Lebensmitteln wünschen.
Das spiegelt sich auch im Verhalten der Jugendlichen im Foodpoint. Doch nicht nur die Einkaufenden achten besonders auf die Lebensmittelverschwendung. „Zunächst muss man zwischen dem Mindesthaltbarkeitsdatum und dem Verbrauchsdatum unterscheiden. Was wir bekommen und wegen dem ablaufendem Verbrauchsdatum nicht mehr weiterverkaufen können, das geben auch wir weiter – an die Bauern und Fischer“, so Jasmin. Im Gegensatz zum Mindesthaltbarkeitsdatum dürfen Produkte nach Ablauf des Verbrauchsdatums auf keinen Fall mehr verzehrt werden, da dann die Möglichkeit besteht, dass sich im Lebensmittel enthaltene Krankheitserreger soweit vermehrt haben, dass eine gesundheitliche Gefahr für Menschen vorhanden ist.
Der Andrang im Foodpoint wird groß bleiben. Wer dabei unterstützen möchte, kann dies jederzeit entweder in Form von Sachspenden, Geldspenden oder Mithilfe.
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