Eisschwimmen ist nicht einfach nur ein Sprung ins kalte Wasser, ein Hobby, eine Trainingsmethode. Eisschwimmen ist Meditation, eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper, ein Anker in schwierigen Zeiten. Es ist ein Akt für den Körper, der Kraft verleiht. Eine Expertin und ein Arzt erklären was man dabei beachten sollte.
Die Temperaturen sinken, die Tage werden kürzer, die dunkle Jahreszeit bricht herein. Die Menschen verbringen weniger Zeit im Freien, die Sonne lässt sich seltener blicken. Das schlägt vielen aufs Gemüt. Einen Ausgleich zu finden fällt schwer. Kaum zu glauben, dass schon wenige Minuten im Eiswasser dagegen helfen können.
Was ist Eisschwimmen?
- Eisschwimmen ist das Schwimmen in Gewässern, die weniger als 5 Grad Celsius Wassertemperatur haben.
- Im Gegensatz zum Eisbaden geht es beim Eisschwimmen darum eine gewisse Distanz zurückzulegen. Beim Eisbaden begibt man sich lediglich in das kalte Wasser und verharrt dort.
Überarbeitet und Ausgebrannt: der Weg zum Eisschwimmen
Barbara Anderl ist Meeresbiologin und leidenschaftliche Eisschwimmerin. Zusätzlich gibt sie Workshops für das Eisschwimmen am Wiener Badeschiff. Sie vergleicht das Schwimmen im eiskalten Wasser mit Meditation. Wonach viele bei der Mediation suchen, kann beim Eisschwimmen jedoch ganz von selbst passieren. Durch die extreme Ausnahmesituation könne man gar nicht anders als im Hier und Jetzt zu sein, erzählt Anderl. „Du hast nicht die Kapazitäten dir groß Gedanken zu machen über morgen, gestern und übermorgen.“
Den Drang ins kalte Wasser zu springen verspürte Anderl das erste Mal am Linzer Donauufer. Zu einer Zeit als sie überarbeitet und ausgebrannt war. Getraut habe sie sich damals aber nicht. Immerhin war das Eisschwimmen zu dieser Zeit nur den wenigsten ein Begriff. Mittlerweile ist es jedoch regelrecht zum Trend avanciert. Von Jung bis Alt wagen die Menschen den Schritt ins Eiswasser. Viele machen es wegen der positiven Auswirkungen auf den Körper. Andere wegen der positiven Effekte auf die Psyche.

Ein natürlicher Rausch
Beim Einschwimmen spielt sich in unserem Gehirn tatsächlich so einiges ab. Adrenalin, Noradrenalin und entzündungshemmende Botenstoffe werden ausgeschüttet. Das führt zu euphorischen Glücksgefühlen und wirkt sich positiv auf die Stimmung aus. Dabei spielen aber nicht nur die ausgestoßenen Hormone eine Rolle, sondern auch „das Bewusstsein etwas überwunden, etwas geschafft zu haben“, wie der Kardiologe Markus Wallner von der Medizinischen Universität Graz im Gespräch mit der Kleinen Zeitung erklärt.
Auch die erfahrene Eisschwimmerin Barbara Anderl kennt die Glücksgefühle. „Innerhalb kürzester Zeit schafft es mich immer in ein positives Mindset zu bringen. Da kann es mir vorher wirklich noch schlecht gegangen sein oder ich war müde oder gestresst oder was auch immer. Wenn ich ins kalte Wasser steige, ist das Ergebnis immer gleich. Man geht da raus und es geht einem gut.“
„Es ist ein bisschen wie ein Rausch. Man wird benommen.“
Barbara Anderl, Meeresbiologin und
leidenschaftliche Eisschwimmerin
Der Körper reagiert auf eine extreme Art und Weise. Schmerzen in den Fingern und Zehen sind vorprogrammiert. Dort zieht sich das Blut als erstes zurück. Unser Körper konzentriert sich auf die wesentlichen Funktionen. „Das Hirn fährt alles runter, was es nicht braucht. Die Kältedummheit setzt ein, es ist ein bisschen wie ein Rausch. Man wird benommen“, berichtet die Meeresbiologin.
Allheilmittel Eischwimmen

Um die Körpertemperatur zu regulieren, zentriert sich das Blut beim Eisschwimmen im Kern des Körpers. Die Hautgefäße ziehen sich zusammen. Steigt man dann aus dem Wasser, weiten sich die Blutgefäße. Durch das Zusammenziehen und Weiten wird die Durchblutung angeregt. Langfristige Effekte sind ein niedriger Ruhepuls sowie Blutdruck. Auch das Immunsystem wird gestärkt. „Scheinbar werden Infekte der oberen Atemwege reduziert und man kann durch regelmäßiges Eisbaden widerstandsfähiger werden“, erklärt Kardiologe Markus Wallner. Eine 2020 veröffentlichte Studie bestätigt zudem, dass das Schwimmen im Eiswasser Entzündungsmarker im Blut sinken lässt. So haben Menschen, die regelmäßig eisschwimmen seltener mit Atemwegserkrankungen oder Erkältungen zu kämpfen.
Auch wenn das Eisschwimmen viele positive Effekte mit sich bringt, befindet sich der Körper trotzdem in einer extremen Stresssituation. Sogar für gesunde Menschen kann der Schritt ins kalte Wasser lebensbedrohlich sein. Menschen mit Herzkreislaufproblemen oder Durchblutungsstörungen sollten es auf jeden Fall bleiben lassen. Dasselbe gilt für Menschen, die schon einen Herzinfarkt erlitten haben oder an einem akuten Infekt erkrankt sind. Der Kardiologe rät außerdem zu einem ärztlichen Checkup im Vorfeld.
Die Euphorie überwiegt
Obwohl das erste Mal im Eiswasser merklich schmerzhaft sein kann, rät Anderl dabei zu bleiben. Sie selber habe auch ein, zwei Versuche gebraucht bis sie wirklich eins mit dem Eiswasser wurde. Auch der Mediziner bestätigt, dass sich der Körper an die extremen Temperaturen gewöhnen können. „Wir können den Körper trainieren, dass er die Kälte besser aushält. Am Anfang ist die Kälte sehr schmerzhaft, aber man gewöhnt sich daran, und auch die Atmung kann man trainieren.“
Beim dritten Mal hat sich auch bei Anderl das vielbesagte wohlig warme Gefühl eingestellt. Die Kälte habe sie dann nicht mehr gespürt. Dieser Moment veränderte ihr Leben. Er eröffnete ihr eine neue Welt.
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Hinweise zur Bebilderung:
Alle Bilder fungieren als Symbolbilder
- Beitragsbild: „Eisloch zum abkühlen oder baden“ (c) Andras Pal
- Bild 1: „Close up of female legs getting into ice cold water“ (c) rangizzz
- Bild 2: „woman and men extreme winter swimming, in winter in frost swim in ice water“ (c) Inga