Queere Minderheiten: Das letzte Mal Transition Filmfestival

Yavuz Kurtulmus, Festivalleiter, und Jasmin Hagendorfer, Kreativleitung des Festivals, stehen auf einer Treppe. Schwarz weiß.

Zum letzten Mal geht Transition, ein Filmfestival mit Fokus auf queere migrantische Communities, in Wien über die Bühne – danach ist Schluss. An Interesse für die Veranstaltung mangelt es aber nicht. Das Thema ist ebenfalls nicht redundant geworden. Queere Minderheiten werden schließlich noch immer in vielen Teilen der Welt verfolgt. Für das Ende gibt es einen anderen Grund.


Nach zehn Jahren des Transition – International Queer & Minorities Film Festival findet die Veranstaltung heuer zum letzten Mal statt. Vom 16. bis zum 20 November sind im Schikaneder Kino in Wien zahlreiche Filmen zu sehen. Als ersten Filmfestival in Europa legt Transition seinen Schwerpunkt auf die Lebensrealität queerer Menschen mit Migrationshintergrund. Vier Festivaltage lang geht es darum, Sichtbarkeit und Raum für queere Migrant*innen in der Gesellschaft zu schaffen. Am letzten Tag reflektiert Yavuz Kurtulmus, Gründer und Festivalveranstalter, über die Geschichte des Festivals, die Gründe für das Ende und blickt in die Zukunft der queeren migrantischen Community in Wien.

Das Ende vom Anfang

Bis zum Gründungsjahr 2012 gab es europaweit kein vergleichbares Filmfestival. Damals wurde der Grundstein für weitere Veranstaltungen gelegt, die sich nun auch mit dem Thema befassen. Mittlerweile gibt es davon rund 15. Kurtulmus betont, dass ihn das natürlich stolz mache. Die letzten Tage der Veranstaltung beschreibt er außerdem als: „Sehr emotional, aber auch eine Erleichterung. Wir haben glaube ich viel bewegt und Geschichte geschrieben“.

Ich hatte einen kurzen Moment, wo ich mir gedacht habe: Vielleicht mache ich noch ein bisschen weiter, ein paar Jahre. Aber nein, ich glaube es ist gut und es ist ein Erfolg und es ist ein schöner Abschluss gewesen.

Yavuz Kurtulmus, Gründer & Festivalleiter

Nach zehn Jahren möchte Kurtulmus vorerst eine Pause einlegen. Gleichzeitig denkt er, dass ein Momentum entstanden ist und setzt darauf, dass ähnliche Projekte umgesetzt werden. Das Thema verliert nicht an Relevanz. Kurtulmus selbst möchte deswegen später weiter in dieser Szene aktiv bleiben: „Ich habe schon ein paar neue Ideen – es soll wieder in Richtung queerer Film gehen.“ Fürs Erste will er aber an die neue Generation übergeben, in die er viel Hoffnung setzt.

„Claim Your Space“ zum vorerst letzten Mal

Das alljährlich gleichbleibende Motto „Claim Your Space“ ziert wieder Poster, Sticker und Tragetaschen, die im Lokal verteilt werden. Die Kreativleiterin des Filmfestivals, Jasmin Hagendorf, äußert sich gegenüber APA zum Leitspruch: „Dieses Motto gilt, solange es gelten muss. Gerade jetzt haben wir erfahren, wie schnell sich eine Gemeinschaft verlieren kann, wenn die Versammlungsmomente fehlen. Sichtbarkeit ist wichtiger denn je. Transition schafft Raum in der Welt und erklärt die Welt als unseren Raum.“ Mit dem Ende von Transition ist die Arbeit für Randgruppen der LGBTQ+ Community aber nicht getan.

Merchandise der Veranstaltung. Sticker, Postkarten, etc.
Merchandise der Veranstaltung. Das Motto „Claim Your Space“ verliert auch beim letzten Festival 2022 nicht seine Bedeutung. ©Emily Weber

Queeres Kino im Schikaneder

Neben dem Unterhaltungswert fehlt es auch dieses Jahr nicht an politischem Aktivismus. Pünktlich zum Anpfiff der kontrovers diskutierten Fußball Weltmeisterschaft der Herren in Katar, am 20. November um 17 Uhr, werden zeitgleich die „Queer Arab & Orient Shorts“ in Wien gespielt. Diese „Shorts“ sind Kurzfilmreihen, die dieses Jahr neben Dokumentar- und Spielfilmen gezeigt werden. Einige der vorkommenden Kategorien sind zum Beispiel: „Queer Asian Shorts“, „Trans* Shorts“ oder „Gay Shorts“. Die kreative Zusammenstellung erforderte viel Zeit, die man sich jedoch für die letzte Ausgabe des Festivals nehmen wollte. Die Kategorisierung sei nicht der ideale Zugang, erklärt der Gründer. In Zukunft könne man sich hier einen alternativen Weg überlegen.

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Neben tausenden Filmen waren in den letzten Jahren rund 30.000 Besucher*innen, über 400 Helfer*innen und 200-300 internationale Gäste dabei. Seit einigen Jahren wird das Festival von der Kulturabteilung der Stadt Wien und dem österreichischen Bundesministerium für Kunst und Kultur finanziell gefördert. Der Förderbetrag lag laut dem Kunstbericht der Stadt Wien 2021 bei 30.000 Euro.

Schauplatz des Festivals ist eines der ältesten Kinos Wiens: das Schikaneder. Laut Kurtulmus ist das Kino nicht nur Veranstaltungsort, sondern bietet auch genügend Platz, um zusammenzukommen und über die Filme zu diskutieren. Selbst wenn das Geld knapp wurde, haben sich die Betreiber*innen des Schikaneder stets für die weitere Abhaltung des Festivals eingesetzt.

Das Bild einer Hausfassade. In dicker gelber Schrift steht auf einem Schild: "Schikaneder Kino Bühne Cafe".
Das Schikaneder ist der Veranstaltungsort des Transition International Queer & Minorities Film Festival. Es ist eines der ältesten Kinos Wiens, gleichzeitig ein Kaffee und Anlaufstelle für die kreative Szene. © Emily Weber

Ein langer, aber lohnenswerter Weg

In den letzten 13 Jahren habe sich, laut Kurtulmus, einiges für queere Migrant*innen verändert, auch zum Positiven. Schon 2009 gründete er den Verein MiGaY – eine Initiative zur „Integration und Förderung homosexueller Migrant*innen“. Da er selbst aus der Türkei stammt, hat auch er oft mit Vorurteilen zu kämpfen. Das gleichnamige Magazin des Vereins wurde damals weder in Lokalen der LGBTQ+ Community besonders gut aufgenommen, noch gerne in Migrant*innenvereinen aufgelegt. Nach 3 Jahren wurde die Produktion eingestellt, der Verein blieb. Aus dem Magazin konnte sich schließlich jedoch etwas Nachhaltiges entwickeln: 2012 fand das erste Transition Filmfestival statt, damals noch unter dem Namen „queere migrantische Filmtage“. Seither hat sich in der Community einiges verändert. Die 2015 in Wien gegründete „Queer Base“ unterstützt Menschen die aufgrund ihrer Genderidentiät oder Sexualität geflüchtet sind. Transition selbst trat 2016 mit einem Kurzfilmprogramm vor dem EU-Parlament in Brüssel auf.

Bis zum 4. Dezember sind 4 Spiel- und 2 Dokumentarfilme des Festivals sind auf der Seite des KINO VOD CLUB zu sehen.

Eine Auswahl anderer Filmfestivals mit Inhalten zu queeren Minderheiten

International Queer & Migrant Film Festival (Amsterdam, Niederlande):
Seit 2015 findet jährlich das IQMF Festival in Amsterdam statt. Dieses Jahr ging das Festival in seine 7. Ausgabe

Faroe Islands International Minority Film Festival (Färöer Inseln):
Seit 2015 findet auf den Färöer Inseln ein Filmfestival mit Fokus auf Minderheiten und marginalisierten Gruppen statt. Queere Minderheiten sind auch hier Thema.

Queer Film Days (Skopje, Nordmazedonien; Prishtina, Kosovo und Tirana, Albanien):
Mithilfe des „Youth Artivists of Change“ Projektes, gefördert durch das Außenministerium der Niederlande, entstanden queere Filmtage in mehreren Städten. Das Projekt wurde von „Stichting Art.1“, einer Organisation für Menschenrechte, initiiert. 2019 fanden die Queer Film Days beim Skopje Film Festival in Nordmazedonien, beim Prishtina International Film Festival im Kosovo und auch auf den alleinstehenden Queer Film Days in Tirana, Albanien statt.

AKS International Minorities Festival (Islamabad, Pakistan):
2014 startet zum ersten Mal außerhalb von Europa ein Filmfestival, das sich mit queeren und migrantischen Minderheiten befasst. Das Festival wächst stetig. 2021 verzeichnete es drei Mal so viele Besucher*innen wie vor der Pandemie.