Das Filmfestival Nordiale zeigt diese Woche in der Wiener Urania nordische und baltische Filmkunst, die einen wie im Fluge nach Schweden, Norwegen, Dänemark und andere nördlich-gelegene Länder katapultiert. Das Spektrum des fünftägigen Filmfestivals ist genauso wie der gleichnamige Themenschwerpunkt: Grenzenlos.
verfasst von Anna-Lisa Bier

© Anna-Lisa Bier
Im Jahr 1992 entstand die Idee eines nordisches Filmfestivals in Wien. Dieses wurde vorerst nur in Kooperation mit der schwedischen Botschaft, an der Volkshochschule (abgekürzt: VHS) Wiener Urania veranstaltet.
Auch nach 30 Jahren sei das Potenzial des Filmfestivals noch lange nicht ausgeschöpft, wie Organisatorin Carina Grubök stadtleben erzählt:“ Mit dem diesjährigen Jubiläum setzen einen Nordiale-Neustart. Ein neues Design, zusätzliche Rahmenangebote, und so gut wie alle Filme werden erstmals im großen Kinosaal der Wiener Urania zu sehen sein“. Die Neuauflage des Filmfestivals schaffe es, einen weiteren bedeutsamen Schritt zum perfekten Kinofeeling zu machen.
Popcorn statt Reiseführer
14 Spielfilme, 7 Sprachen und fünf Kinotage – die Nordiale bietet Einblicke in länderspezifische Filmkunst, die man sonst nur schwer bekommt. Das Ziel der nordischen und baltischen Staaten, gemeinsam mit der VHS Wiener Urania, ist es, Filmkunst abseits des Mainstreams Raum zu geben und Filmliebhaber:innen in den Bann der faszinierenden Ästhetik nordischer Filmkunst zu ziehen.
„Mächtige Fjorde durchfahren, in undurchdringliche Wälder eintauchen oder ferne Städte besuchen – all das ist möglich, ohne je den Kinosessel verlassen zu müssen“, sagt Christian Deutsch, Aufsichtsratvorsitzender der Wiener VHS.
Mit dem diesjährigen Schwerpunkt Grenzenlos legt die Nordiale den Fokus auf alltägliche Probleme und Alltagsfragen. Grubök erklärt, wie es zu dem Themenschwerpunkt kam: „Genau in der heutigen Zeit müssen oftmals Grenzen überschritten werden, um so manche Dinge zu ändern“.
Die Frage nach dem Sinn des Lebens, unerfüllte Lebensträume, die Suche nach dem wahren Ich, das Gefühl der Einsamkeit… die ausgewählten Filme thematisieren unterschiedliche sozialkritische Themen und überschreiten alle auf ihre Art und Weise unterschiedliche Grenzen, sagt die Organisatorin.
Grubök sagt außerdem, dass in der Vorbereitung mehrere Treffen mit den Botschafter:innen stattfänden. Dort werden aktuelle Themen besprochen, danach werde ein Schwerpunkt für das Filmfestival festgelegt. Die anschließende Auswahl der Filme obliege letztlich den Botschaften.
Den Anfang macht Norwegen
Das diesjährige Eröffnungsland der Nordiale ist Norwegen, vertreten durch die Botschafterin Frau Susan Eckey. Im Interview mit stadtleben spricht sie über die Bedeutung des Filmfestivals für Norwegen: “Wir wollen mit der Nordiale auf unsere Kultur aufmerksam zu machen. Da die Filme in der Originalsprache und mit Untertiteln gezeigt werden, bekommt man ein Gefühl dafür, wie wir sprechen, wie wir miteinander umgehen, und wie wir unseren Alltag gestalten“. Die Nordiale bedeute für die Besucher*innen, in mitreißende Geschichten aus dem Norden eintauchen zu können, so Eckey.
Den Anfang macht der Film Der Schlimmste Mensch der Welt (norwegisch: Verdens verste menneske). Mit Humor und Tiefsinn bringt der norwegische Starregisseur Joachim Trier die Geschichte einer jungen Frau auf die Leinwand, die an jeder ihrer Entscheidungen zweifelt – sowohl beruflich als auch privat.
Das norwegische Drama war im Vorjahr Oscar-nominiert in den Kategorien Bester internationaler Film und Bestes Originaldrehbuch. Die Hauptdarstellerin Renate Riensve wurde im selben Jahr bei den internationalen Filmfestspielen in Cannes als Beste Darstellerin ausgezeichnet.
Alles, nur nicht Mainstream
Aber was unterscheidet die nordische und baltische Filmkunst von anderen europäischen Filmen? „Nordische Filme tauchen anders als andere Filme in tiefgründige Geschichten ein, erzählen das wahre Leben auf eine dramatische aber gleichzeitig auch auf eine lustige Art und Weise. Sie stellen aktuelle Geschehnisse in den Vordergrund und verzichten auf Ausschmückungen“, sagt Grubök.
Auch Eckey erkennt Unterschiede zu anderen europäischen Filmländern: „Nordische Filme strahlen eine gewisse Melancholie aus. Außerdem tritt vermehrt ein subtiler und schwarzer Humor auf.“ Nordische und baltische Filme seien originell und schrullig, so die Nordische Botschafterin.
Einmal Kanelbullar und Fernweh, bitte!
Nicht nur mit ihrer Filmauswahl macht die Nordiale Lust darauf, umgehend in ein Flugzeug nach Skandinavien zu steigen. Das neuentwickelte Rahmenprogramm bietet mit Sprach- und Kochkursen weitere Möglichkeiten, um während der Dauer des Filmfestivals Geschmack an der Kulinarik sowie der Kultur der nördlichen Länder zu finden. Der Fernwehkurs So schmeckt Schweden um 26€ kombiniert beispielweise einen Zimtschneckenbackkurs mit einem Schwedisch-Crashkurs.

© Anna-Lisa Bier
Neben den kulinarischen und sprachlichen Zusatzangeboten findet im Rahmen der Nordiale zusätzlich eine kleine Ausstellung in Kooperation mit dem Filmarchiv Austria statt. Sie beschäftigt sich sowohl mit prägnanten Filmen des Nordens, als auch mit der Filmgeschichte der Wiener Urania.
Alltagsflucht leicht gemacht
Nach dem gestrigen Eröffnungsabend stehen in den nächsten Tagen 13 weitere Filme auf dem Programm der Nordiale. Ein Kinoticket kostet 8€. Wer sich nicht für einen Film oder ein Land entscheiden möchte, kann um 22€ den Nordiale-Filmpass mit Eintritt zu insgesamt fünf Filmvorstellungen auswählen. Im Vergleich zu den Festivaljahren vor Corona rechnet die Organisatorin mit einem Besucherrückgang von 25%.
Auch wenn das Wiener Stadtleben außerhalb des Urania Kinosaals nicht schläft, bietet die Nordiale für ein paar Stunden eine Auszeit von der Hektik der Großstadt. Statt einem Flugticket braucht man bei der Nordiale lediglich ein Kinoticket, um in die Kultur von Litauen, Estland und anderen Ländern einzutauchen.
Veröffentlicht am 17. November 2022.
Weitere Informationen gibt es hier
Film Vorstellung Norwegen: Der schlimmste Mensch der Welt Mi. 16.11., 18:30 Uhr Lettland: Away – Vom Finden des Glücks Do. 17.11., 16:30 Uhr Schweden: Tigers Do. 17.11., 18:00 Uhr Finnland: Forest Giant Do. 17.11., 20:30 Uhr Lettland: The Sign Painter Fr. 18.11., 18:00 Uhr Dänemark: A perfectly normal family Fr. 18.11., 18:30 Uhr Estland: The Little Comrade Fr. 18.11., 20:30 Uhr Finnland: Ladies of Steel Sa. 19.11., 18:00 Uhr Estland: Sandra Gets a Job Sa. 19.11., 18:30 Uhr Dänemark: Queen of Hearts Sa. 19.11., 20:00 Uhr Litauen: Der Sprung Sa. 19.11., 20:30 Uhr Schweden: The most beautiful boy in the world Sa. 19.11., 22:30 Uhr Litauen: Die Retrospektive von Jonas Mekas So. 20.11., 16:00 Uhr Norwegen: Die Welle So. 20.11., 18:30 Uhr Das Programm der Nordiale 2022