von Philipp Kristl
Fiakerfahrten sind eine beliebte Touristenattraktion in Wien. Doch der Einsatz der Pferde ist seit Jahren umstritten. TierschützerInnen kritisieren, dass die Tiere unter den Bedingungen in der Wiener Innenstadt leiden würden. Die Fiaker argumentieren dagegen. Was genau sind also die unterschiedlichen Positionen zu diesem Streitthema?

©domeckopol
TierschützerInnen behaupten, dass die bestehenden gesetzlichen Regelungen nicht ausreichend sind, um das Wohl der Fiakerpferde zu gewährleisten. Die Tiere würden unter Verkehr und Hitze leiden. Soweit die altbekannte Kritik der Organisation Verein-gegen-Tierfabriken, kurz VGT.
Zentrale Kritikpunkte, welche mehrheitlich vom VGT sowie von Vier Pfoten geäußert werden sind:
- Kritikpunkt Nr. 1: die Hitze. Diese könnte gefährlich für die Pferde werden.
- das Kopfsteinpflaster in der Innenstadt sei für die Pferdegelenke schädlich,
- die Pferde müssen in der Wiener Innenstadt oft stundenlang durch engen Verkehr fahren, was eine enorme Belastung darstelle,
- nicht selten wird auch das Ziehen der Last (Kutsche samt Insassen) kritisiert, usw.
TierschutzaktivistInnen fordern deshalb ein Fahrverbot für heiße Tage oder die komplette Verlegung der Strecken an die Stadtränder. Radikalere Forderungen beziehen sich überhaupt auf ein komplettes Verbot von Fiakerfahrten, zumindest wenn die Kutschen von Pferden gezogen werden. Eine Idee hierzu wäre beispielsweise das Ausweichen auf kutschenähnliche Fahrzeuge ohne den Einsatz von Pferden. Wie etwa der bereits vor Jahren von WienEnergie vorgestellte E-Fiaker. Dieser ähnelt herkömmlichen Kutschen, wird aber als tier- und umweltfreundliche Alternative angepriesen. Er kann bis zu acht Personen transportieren. Oder auch die Oldtimerfahrten in der Salzburger Mozartstadt.
Die Stadt Wien will den Forderungen, traditionelle Fiaker zu verbieten jedenfalls bisher nicht nachkommen und verweist auf die hohe Bedeutung der Kutschenfahrten für den Tourismus.
Die Rolle der Fiaker
Wie aber sieht es mit der Haltung und Betreuung der Pferde tatsächlich aus? Werden sie ausreichend mit den für sie benötigten Mitteln wie genügend Wasser, Nahrung, Abkühlung, etc. versorgt? Kommt es zu den notwendigen und gesetzlich vorgeschriebenen Pflegemaßnahmen und wie könnte man all dies im Sinne Tierwohl legitimieren?
Marco Pollandt, designierter Geschäftsführer von Fiaker Paul & Riding Dinner, dem größten Fiakerunternehmen in Wien, äußerte sich zu diesen Fragen ausführlich in einem Interview und verwies dabei auch auf die stetige sowie gesetzlich vorgeschriebene Zusammenarbeit mit veterinärmedizinischem Fachpersonal.

©Pollandt
So merkt er u.a. an, dass die eigentliche Haltung der Pferde selbstverständlich nicht in der Innenstadt erfolge, sondern jeder Fiakerbetrieb Stallungen besitzt, welche gewissen gesetzlichen Auflagen entsprechen müssen. „Es ist die Boxenhaltung mit freiem Auslauf vorgeschrieben für die Fiakerpferde.“. Laut ihm wäre dies Untersuchungen zufolge die optimale Haltung für die Pferde.
Gleichzeitig räumt Pollandt allerdings auch ein, dass der gesetzliche freie Auslauf für die Pferde eine Mindestgröße von der doppelten Boxengröße betragen muss „und das ist natürlich für ein Pferd so oder so viel zu wenig“.
Wichtig anzumerken ist jedoch auch, dass die meisten Fiakerunternehmen in Wien zusätzlich zu den Stallungen auch Grünflächen zugekauft, bzw. gemietet haben. Das Unternehmen Fiaker Paul selbst pachtet etwa 10 Hektar Wiesenfläche und betreibt auch noch einen Pferdehof mitsamt Auslauf für die Tiere.

Auf Nachfrage zur Hitzesituation und der immer wieder auftretenden Behauptung mancher TierschützerInnen, es wäre schon zu Zusammenbrüchen von Fiakerpferden gekommen, meint Pollandt:
„Ich kann nur das wiedergeben, was wir tagtäglich bei der Zusammenarbeit mit unseren Pferden merken, und das sind keine relevanten Beeinträchtigungen auch an warmen Tagen.“.
Marco Pollandt, Fiaker Paul & Riding Dinner
Anschließend verwies Pollandt noch auf einen vergangenen Gerichtsprozess gegen eine NGO.
Im Zuge dessen sei es zur Aussage eines Zeugen des Veterinäramtes darüber gekommen, dass es seit Beginn der Aufzeichnungen keinen einzigen dokumentierten Fall eines hitzekollabierten Fiakerpferdes gegeben hätte.
Diese Stellungnahme dürfte für Kritiker und Kritikerinnen in Anbetracht von jährlich stark steigenden Temperaturen aber auch eher unbefriedigend sein und nichts an deren Sichtweise ändern.
Hitzestudie zu Wiens Fiakerpferden
Noch im Sommer des letzten Jahres gaben die Stadt Wien und der Bund gemeinsam eine sogenannte „Hitzestudie“ in Auftrag. Durchgeführt wird sie an der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Sie soll erheben, wie sich sehr hohe Temperaturen – ca. 35 Grad und höher auf Pferde, insbesondere Fiakerpferde auswirken. Die Erhebungen umfassen Darstellungen von physiologischen Reaktionen und Verhaltensindikatoren, die Pferde bei Hitzestress anzeigen. Ziel ist es u.a. Verbesserungen bei der Pferdenutzung zu erreichen. Die Studie ist noch nicht beendet.
Theresia Licka, Leiterin der betreffenden Studie an der Veterinärmedizinischen Universität Wien, äußerte sich daher nur sehr spärlich zu möglichen Erkenntnissen. Bezüglich der Bedenken über zu schwere Arbeit, die die Pferde zu verrichten hätten, meinte sie allerdings, es sei zu sagen, “…, dass die Arbeit der Fiakerpferde (das Ziehen relativ leichter Kutschen mit wenig Beladung im Schritt mit maximal kurzen Trabsequenzen) insgesamt als eher leichte körperliche Arbeit zu qualifizieren ist.“
Auf die wichtigste Frage, nämlich jener nach physiologischen oder psychischen Beeinträchtigungen der Pferde aufgrund sehr hohen Temperaturen, konnte sie wegen der noch laufenden Datenauswertung vorerst keine Stellung beziehen. Sie verwies jedoch auf eine sehr ausführliche Studie (2008) zur Hitzestressmessung von Fiakerpferden in Wien.

Auch die FiakerbefürworterInnen sowie die 19 gemeldeten Fiakerbetriebe in Wien beziehen sich immer wieder auf die Ergebnisse dieser nicht mehr ganz so aktuellen Studie aus dem Jahre 2008.
Die im Rahmen der Studie erhobenen klimatischen Bedingungen entsprachen einem typischen Wiener Sommer und das zentrale Ergebnis darin war, dass die untersuchten Fiakerpferde unter eben diesen Bedingungen in ihrem physiologischen Anpassungsvermögen nicht überfordert wurden. „Hitzestress, in Form einer Überforderung des thermoregulatorischen Systems im Pferd wurde in keiner der annähernd 400 Messungen an den Tieren festgestellt.“ – Tierschutzombudsstelle Wien.
Es gab inzwischen Veränderungen in der Stadt, beim Klima sowie beim Verkehrsaufkommen. Die Studie deckt diese Entwicklungen also nicht mehr ab.
Die aktuelle Studie mit dem Titel: „Individuelle Faktoren der physiologischen Hitzeanpassungsfähigkeit von Pferden sowohl bei täglichen Temperaturschwankungen als auch bei Hitzewellen“ soll hier also endgültig für Aufklärung sorgen.
Ob sie – unabhängig vom Ergebnis – in der Lage sein wird, den jährlich neu entflammenden Konflikt zwischen TierschützerInnen und FiakerunternehmerInnen aufzulösen, bleibt allerdings mehr als fraglich.
Hitzefrei: Eine österreichische Halblösung
Seit Juli 2023 besteht ein Fahrverbot für die Fiaker, sobald an einem Messpunkt am Wiener Stephansplatz 35 Grad Celsius gemessen werden.
„Temperaturen die uns ins Schwitzen bringen, lassen die Pferde völlig unbeeindruckt“, meinte auch Ursula Chytracek, Fiakersprecherin in der Wirtschaftskammer Wien, in einem Bericht der Tageszeitung HEUTE.
Darin erwähnt sie, dass die Fiaker zu einer Vielzahl an Maßnahmen greifen würden, um für das Wohl der Tiere zu sorgen, wie etwa die Verlegung von Standplätzen in den Schatten, ausreichend Wasser sowie das Bespritzen der Tiere mit Wasser, um für Abkühlung zu sorgen.
Ab 30 Grad seien zudem Amtstierärzte der MA60 und eine private Tierärztin unterwegs.

„Es liegt in unserem ureigenen Interesse, dass es den Pferden gut geht. Dementsprechend gut kümmern wir uns auch um sie. Wir hoffen wirklich, dass die emotional aufgeladene Diskussion mit unsachlichen Argumenten nun ein Ende findet…“
Ursula Chytracek
Den TierschützerInnen geht das freilich nicht weit genug. So kritisiert der VGT etwa, dass sich Tierschutzstadtrat Jürgen Czernohorszky immer noch auf einem Gesetz von 2015 ausruhe, „das schon veraltet und rückständig war, als es in Kraft getreten ist“.
Da auch die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Hitzerekords im nächsten Sommer durchaus hoch ist, dürfte der Streit um die traditionellen zweispännigen Lohnkutschen in der Wiener Innenstadt also heuer wieder ähnlich weitergehen.