„What a Feeling“ lautete von 26. bis 30. Dezember 2022 das Motto im Wiener Gasometer. Flashdance – Das Musical ist eine Adaption des gleichnamigen Tanzfilms von 1983, die derzeit durch den DACH-Raum tourt und dabei auch einen Stopp in Wien eingelegt hat. Experte Claus Tieber sieht sowohl im Kult-Film als auch in der Musicaladaption ein Sexismus-Problem.
Es sind die ersten Takte des Kult-Songs „What a Feeling“, mit denen Flashdance – Das Musical eröffnet wird. Das Stück wurde 2008 geschrieben und basiert auf dem gleichnamigen Kult-Film von 1983. Ende Dezember war das Musical im Wiener Gasometer zu sehen. Es ist eine Produktion des deutschen Veranstalters ShowSlot, die als Tour durch Deutschland, Österreich und die Schweiz angelegt ist. Dabei sind die Dialoge und ein Großteil der Songs in deutscher Sprache. Die größten Hits werden auf Englisch gesungen. Regie führt Christoph Drewitz, die Choreografie stammt von Kerstin Ried.
Multifunktionales Bühnenbild: Vom Stahlwerk zur Ballettakademie
Das Musical erzählt die Geschichte von Alex Owens, einer jungen Frau, deren Leidenschaft das Tanzen ist. Tagsüber arbeitet sie als Schweißerin, nachts tanzt sie in einer Bar. Alex ist Autodidaktin und hatte daher noch nie professionellen Tanzunterricht. Ihr größter Wunsch ist es, an einer Ballettakademie aufgenommen zu werden.
In der Produktion von ShowSlot fungieren eine u-förmige Wellblech-Konstruktion und eine rollbare Stahltreppe als Bühnenbild, die zwei Aktionsebenen entstehen lassen. Durch Verschieben der Elemente wird das Bühnenbild zur Stahlwerkstatt, zum Nachtclub oder zur Ballettakademie. Stabförmige Neonlichter ergänzen das Bühnenbild oder werden zu Requisiten.
Die Bühne wird zur Stahlwerkstatt, zum Nachtclub oder zur Ballettakademie.
Bild 1-2: © Nathalie Zimmermann | Bild 3-5: © David Schmelzer
Casting der Hauptdarstellerin: Fokus auf Tanz
Der erste Tour-Block des Musicals fand bereits 2021 statt. Im Herbst 2022 startete die Wiederaufnahme mit einer neuen Hauptdarstellerin. „In den Auditions musste jede mögliche Alex-Bewerberin erstmal durch einen intensiven Dance-Call und ihre Fähigkeit in unterschiedlichen Tanzstilen und ihre Tanztechnik wurde geprüft. Wir haben glücklicherweise eine Alex gefunden, die nicht nur fantastisch singen sondern auch tanzen kann“, berichtet Kerstin Ried, die Choreografin der Produktion. Sie spricht von Faye Bollheimer, die für die Hauptrolle ausgewählt wurde. Die gebürtige Deutsche ist seit 2018 als Musicaldarstellerin tätig und schloss 2021 die Stage School in Hamburg ab.
✨ Cast-Bekanntgabe ✨ Bis vor kurzem hat Faye Bollheimer in Ku’damm 56 – Das Musical noch die Tanzschule Galant besucht,…
Gepostet von Flashdance – What A Feeling Tour am Dienstag, 4. Oktober 2022
Gemeinsam mit Bollheimer erarbeitete Ried das finale Tanz-Solo. In der Filmvorlage des Musicals wurden für die Protagonistin fünf Tanzdoubles eingesetzt. Da das auf der Musicalbühne nicht möglich ist, choreografierte Ried die Nummer individuell mit der Hauptdarstellerin. Das Ziel ist, dass die Choreografie die Stärken der Darstellerin betont und man sich als Zuschauer:in an die Schlüsselszene im Film, in der Alex für die Ballettakademie vortanzt, erinnert – auch ohne Tanzdoubles.
Adaption des Films für die Musicalbühne
Neben der Schlüsselszene wurde auch beim Song „Maniac“ die Choreografie überarbeitet. Im Gegensatz zum Film ist der Song keine Solo-Tanznummer mehr, denn die Protagonistin tanzt im Musical gemeinsam mit drei weiteren Darstellerinnen. Choreografin Ried erklärt die Idee, die dahinter steht: „Nach heutiger Seh-Gewohnheit muss alles ein wenig peppiger sein als noch in den 80er-Jahren. Beim Film kann man mit Schnitt verschiedene Bilder erschaffen – mal Totale, mal Close up etc. – und bringt dadurch Geschwindigkeit in die Szene, was wir auf der Bühne nicht können.“ Anstelle des Schnitts nutzt Ried andere Elemente, um den Effekt verschiedener Bilder zu erzeugen, wie zum Beispiel unterschiedliche Aufstellungen und Beteiligungen von Darsteller:innen. So entstand im Kreativteam die Idee, drei „Schatten“ für Alex zu erschaffen.
„Nach heutiger Seh-Gewohnheit muss alles ein wenig peppiger sein als noch in den 80er-Jahren.“
Kerstin Ried, Choreografin von Flashdance
Einen weiterer Unterschied zwischen Musical und Film ist die Musik. In der Bühnenadaption wurden 16 neue Songs hinzugefügt, die eigens für die Musicalversion komponiert wurden. Auch die Story wurde verändert. Es gibt einen neuen Handlungsstrang rund um Alex Chef Hurley. Im Musical muss er Mitarbeiter aus seinem Stahlwerk entlassen, wodurch einen Streit zwischen ihm und Alex entsteht. Laut Tom Hedley, dem Drehbuchautor des Films, der auch in die Entwicklung der Bühnenversion involviert war, war die Einführung dieses Handlungsstrangs nötig, um die Liebesgeschichte zwischen Alex und ihrem Chef besser verständlich zu machen und an die moderne Zeit anzupassen.
Handlung laut Experteneinschätzung sexistisch
Filmwissenschaftler Claus Tieber äußert sich dazu kritisch. Er sieht in der Liebesgeschichte ein Sexismus-Problem. Die Handlung von Film und Musical-Adaption sind seiner Meinung nach nicht mehr zeitgemäß: „Das funktioniert so gar nicht mehr, die Beziehung zu dem Chef. Er ist ihr Chef und damit ist die Geschichte schon gelaufen. Das müsste man komplett umschreiben. Wieso soll das heute noch irgendwie relevant sein?“ Der Experte kritisiert zudem den „männlichen Blick“ der Filmvorlage. Die Musiknummern bestehen zu einem Großteil gar nicht aus Tanz, sondern aus Nahaufnahmen von Alex Körper. „Der Film zerschneidet ihren Körper – wie den von allen Frauen – in der Montage“, sagt Tieber.
Bereits als der Film 1983 erschien, gab es Stimmen, die die Handlung als sexistisch einstuften. Filmproduzent Martyn Auty kritisierte beispielsweise im „Monthly Film Bulletin“, dass Alex durch erotische (Tanz-)Szenen im Film als Sexualobjekt dargestellt wird. Problematisch ist laut Auty außerdem, dass die Protagonistin ihre Chance bei der Ballettakademie vorzutanzen nur durch die Beziehung zu ihrem Chef bekommt.
Ein „Mischmasch-Film“ als Vorlage
Flashdance war 1983 der dritterfolgreichste Film in den USA und spielte weltweit über 200 Millionen Dollar ein. Für den Titelsong „What a Feeling“ gewann der Film einen Oscar. Die 2022 verstorbene Sängerin von „What a Feeling“, Irene Cara, wurde zudem mit einem Golden Globe und einen Grammy Award ausgezeichnet. Trotzdem gab es auch viel negative Kritik. „Der Spiegel“ bezeichnete Flashdance beispielsweise als „eineinhalbstündigen Werbefilm, der für sich selbst Reklame macht und für nichts sonst“.
Tieber erklärt, warum der Film beim Publikum so gut und bei der Kritik so schlecht angekommen ist: Der Film sei ein „Mischmasch“. Er enthält noch Elemente des 70er-Jahre Kinos, wie etwa den Aufstiegsmythos vom Tellerwäscher zum Millionär. Gleichzeitig wurde der Film schon sehr kommerziell produziert. Er stammt von Jerry Bruckheimer und Don Simpson, den seit den 80er-Jahren erfolgreichsten Filmproduzenten. Die Strategie, die sie bei ihren Produktionen anwandten, ist in der Filmbranche als „High Concept“ bekannt. Man hat dabei ein simples Konzept für die Story, das man auf ein oder zwei Sätze herunterbrechen kann und vermarktet den Film anhand von Musikvideos über MTV. „Diese eine Szene aus Flashdance, die kennt ja jeder, der den Film gar nicht kennt“, stellt Tieber fest. Gemeint ist die Szene, in der Alex für die Ballettakademie vortanzt. Sowohl im Film als auch in der Musicaladaption bildet diese Szene, mit dem Song „What a Feeling“, das Finale.
Beitragsbild: F. Bollheimer in Flashdance – Das Musical | © Nathalie Zimmermann